Leonie Sahlmann rudert auf hohem Niveau
Schwimmen und Leichtathletik war früher einmal. Seit 2011 konzentriert sich Leonie Sahlmann (17) sportlich voll auf das Rudern. Und das sehr erfolgreich. Auf dem Wasser und an Land, was der WM-Titel im Ergometerrudern zeigt.
Leonie Sahlmann zieht im regelmäßigen Rhythmus an dem Griff mit dem Stahlseil. Der Rollsitz schnellt im Takt vor und wieder zurück. Und trotzdem bewegt sich die 17-jährige Ruderin des Ruderklub am Baldeneysee nicht einen einzigen Zentimeter von der Stelle und macht doch Kilometer: Sie fährt Ergometer. „Ich freue mich schon darauf, wenn es wieder öfter aufs Wasser geht“, sagt die Elftklässlerin des BMV-Gymnasiums. Ergometer dienen in erster Linie zum Training und dazu, über den Winter zu kommen.
Das Trockenrudern auf dem Ergo hat für Leonie Sahlmann aber auch einen sportlichen Reiz. Nicht zuletzt der Erfolge wegen. Dreimal in Folge wurde sie Deutsche Meisterin beim Indoor-Rudern, wie es offiziell heißt. Den größten Erfolg feierte sich in diesem Jahr bei den Weltmeisterschaften in Boston (USA). „Ein Platz auf dem Treppchen war schon mein Ziel“, sagt Leonie Sahlmann, die bei den Leichtgewichten startete. Das ist keine Überheblichkeit. Sie hatte sich zuvor die gemeldeten Zeiten der Konkurrenz angeschaut. Und auch geschaut, was in den Vorjahren gefahren werden musste, um vorne dabei zu sein. Und doch war sie von der Wirklichkeit vor Ort bei ihrem ersten USA-Aufenthalt mehr als beeindruckt. „In Kettwig, wo die Indoor-DM stattfindet ist es schon groß. Die Eishalle in Boston, in denen die Wettbewerbe stattfanden, ist aber riesig.“ 200 Ergometer waren in dem riesigen Rund aufgebaut. Je 40 Bahnen nebeneinander. Leonie Sahlmann wurde in die Mitte gesetzt, auf einen der Favoritenplätze. Die Ergometer sind elektronisch miteinander verbunden, so dass man auf dem Display sehen kann, was die Konkurrenz in dem imaginären Rennen macht. „Die ersten sieben Schläge ganz schnell und dann 30 bis 32 Schlag“, lautet die Taktik. Es gibt nur ein Rennen, nur einen Chance. Der Druck ist immens. „Man muss es auf den Punkt bringen“, sagt Leonie Sahlmann. Und die 17-jährige Essenerin bringt es auf den Punkt und fährt den ärgsten Konkurrentinnen aus den USA davon, auch wenn es am Ende der 2000 Meter wehtut. „Ich habe mich so über den Titel gefreut, da sind die Schmerzen weg.“ Der Lohn: ein Pokal in Form eines Hammers. „Ich hätte mich auch über eine andere Platzierung gefreut. Allein das Gefühl für Deutschland zu starten, war schon toll“, erinnert sie sich. Allein, dass bei der Siegerehrung nicht die Hymne gespielt wird, macht sie etwas traurig.
Für gute Stimmung sorgt da mehr das Rahmenprogramm der vier Tage von Boston: Stadtbummel, Besuch der berühmten Harvard-Universität und natürlich ein Einkaufsbummel in einer der riesigen Malls.
„Diejenigen, die gut rudern können, können auch gut Ergo fahren“, erzählt Leonie Sahlmann. Und da bei ihr auch das Umkgekehrte gilt, hat sie sich auch dem Wasser noch einiges vorgenommen. Die WM in Hamburg 2014 ist das Ziel. Wenn das nicht klappt, die WM 2015 in Rio de Janeiro. Einziges Manko: Bei den A-Juniorinnen gibt es international keine Leichtgewichtsklassen. Leonie Sahlmann, 1,69 Meter groß und 60 Kilogramm leicht, muss gegen 1,80 Meter große Schwergewichte antreten. Ein ungleicher Kampf. „Bei Gegenwind habe ich gegen die keine Chance. Schiebewind ist für mich optimal. Im Leichtgewichts-Einer würde ich mich, auch wenn sich das ein bisschen komisch anhört, problemlos qualifizieren.“ Von nichts kommt allerdings auch bei Leichtgewichten nichts. Einen Tag nach der Rückkehr aus den USA bestimmen wieder tägliche Trainingseinheiten (samstags zwei) und Klausurvorbereitungen den Tagesablauf der 17-Jährigen: Ergometer, Wassertraining, Joggen – und Bio-Leistungskurs. Viel Zeit für Freundschaften zu pflegen, bleibt da nicht, „aber die meisten Freunde kommen mittlerweile ohnehin aus dem Rudern.“
Das (Leicht-)Gewicht zu halten, fällt Leonie Sahlmann nicht schwer. „Ich esse keine Süßigkeiten.“ Andere Leichtgewichte müssen vor dem Wiegen noch schnell ein bisschen Joggen, um das Limit nicht zu überschreiten. Leonie Sahlmann, die früher auch schwamm und Leichtathletik betrieb, nicht.
Ab der Altersklasse U23 gibt es übrigens international wieder Leichtgewichtsklassen. Gut für Leonie Sahlmann. „Vielleicht“, lacht die 17-Jährige, fahre ich ja irgendwann mal mit meiner Schwester Carolin den leichten Zweier bei Olympischen Spielen.
Rudern auf hohem Niveau ist im Hause Sahlmann nämlich Familiensache.
Dietmar Mauer
STICHWORT
Stützpunkttraining auf dem Baldeneysee
Zweimal pro Woche trainiert Leonie Sahlmann beim Landesstützpunkt bei Paul Jung, Ralf Wenzel und Frank Decker – ansonsten bei Heimtrainer Tobias Kramm.
Zu ihren Erfolgen gehören unter anderem die Deutsche Jahrgangsmeisterschaft im Einer (2012) sowie der Gewinn der Deutschen Sprintmeisterschaften im Mixed-Vierer (2012 und 2013) sowie im Mädchen-Vierer (2013).