Premiere 1974: RaB gewinnt die erste Deutsche Meisterschaft im Männer-Doppelvierer

| Rennrudern

Von den Deutschen Meisterschaft am 21./22. September 1974 in Bamberg, also heute vor 50 Jahren, brachten die RaB-Ruderer Werner Hütz, Ferdinand Albers († 2009), Volker Sauer und Ulrich Zingel († 2023) den Meistertitel im Doppelvierer (4x) an den Baldeneysee. Ein Ereignis, dessen Bedeutung über den sportlichen Erfolg für den Verein hinausgeht, weil mit ihm Rudergeschichte geschrieben worden war. In den Festschriften 75 und 100 wird dieser Sieg gleichwohl nicht erwähnt. Eine Lücke, die hiermit nun gefüllt wird.

Einst unterschied die Ruderwelt zwischen Rudern und Skullen. Richtiges Rudern fand im Riemen-Boot statt. Skullen war Frauensache. Den Männer-Einer, später auch den Doppelzweier einmal ausgenommen. Was heutzutage kaum eine/r mehr glauben mag: Ruderinnen durften - nach jahrzehntelange vergeblichem Ringen - erst ab 1970 im Zweier und im Vierer um Meistertitel Riemen rudern. Im Vierer auch erst einmal nur mit Steuerfrau (4x+), im Achter sogar erst ab 1991 (Anm.: kurzfristige Ausnahmen gab es 1956/57 in der DDR). 

Umso bemerkenswerter war es daher, als die FISA (Fédération Internationale des Sociétés d‘Aviron, heute: World Rowing) für 1974 den Beschluss fasste, mit dem ungesteuerten Doppelvierer (4x) eine neue Bootsklasse einzuführen und damit - diesmal andersherum - den Männern den Eintritt in eine Domäne der Ruderinnen zu verschaffen. Allerdings nicht ganz: bis 1989 sollte der ungesteuerte Doppelvierer noch allein den Männern vorbehalten bleiben.

Im RaB griff Trainer Lothar Burgfeld († 2024) die Idee sogleich auf. Anfang der 1970er Jahre gehörten eine beträchtliche Anzahl von Ruderern des RaB zur deutschen Elite, unter ihnen Werner Hütz (ursprünglich Neusser RV) und Ferdinand Albers (ursprünglich Duisburger RV). Dazu setzte Burgfeld zwei erfolgreiche Skull-Talente aus seiner eigenen Jugendarbeit ins Boot: den mehrfachen U23 Meister im Einer und Doppelzweier Ulrich Zingel und den erst 18jährigen Volker Sauer, der wenig später im Deutschlandachter saß. Hütz hatte den Leistungssport schon aufgegeben und konnte nur mit beharrlichem Zureden reaktiviert werden. Zuletzt hatte er in dem RaB-Achter gesessen, der 1973 den seit 1971 national ungeschlagenen Achter von Hansa Dortmund sensationell den Meistertitel weggeschnappte.

Nun also Doppelvierer ohne Steuermann - aber mit welchem Boot? 1974 gab es ja noch keine Boote für die neue Bootsklasse. Die Doppelvierer der Frauen waren auch als Rennboot stets mit einem Steuersitz ausgestattet gewesen. Immerhin - mit dem 4x+ „Mosel“ gehörte ein solches Boot zum Bootspark des Vereins. Angeschafft 1959 für die im Stil- und dann zunehmend auch im Rennrudern erfolgreichen Ruderinnen um die Schwestern Renate († 2022) und Sigrid Wenderoth (verh. Birkenkamp). Bereits ausgestattet mit Aluminium-Auslegern, die seinerzeit die bis dato üblichen Ausleger aus Eisen ersetzten. So lag der Gedanke nahe, von diesem Boot die Skull-Ausleger abzuschrauben, um damit den ungesteuerten Riemen-Vierer „Lahn“ zum Skull-Boot umzubauen.

Leichter gedacht als getan: ungesteuerte Boote sind vergleichsweise kürzer als Boote mit Steuerplatz und haben damit einen anderen Riss. Eine besondere Herausforderung stellte sich am Schlagplatz. Dort war der Bootskörper der „Lahn“ bereits so schmal - und damit der Dollenabstand der „Mosel“-Ausleger so eng -, dass Schlagmann Hütz mit spürbar längeren Innenhebeln hätte rudern und die Arme im Mittelzug kreuzen müssen. Es bedurfte also einiger Diskussionen zwischen dem Dipl. Ing. Burgfeld und dem Maschinenbaustudenten Zingel sowie endloser Basteleien, um dann mit Biegen und ohne Brechen zu einem einigermaßen ruderbaren Ergebnis zu gelangen. Am Schlagplatz bestand die Lösung darin, dass man die Ausleger auf Klötzchen setzte, über die der Ausleger mit längeren Schrauben an der Bordwand befestigt wurde. 

1975, auf den Deutschen Meisterschaften in Duisburg, konnte der RaB den Titel noch einmal verteidigen. Anstelle von Werner Hütz saß nun Wolfgang „Poppo“ Popp im Boot (ursprünglich RV Emscher Wanne-Eickel). Dieser Sieg ist in der Festschrift 100 aufgeführt. Wenn auch unbebildert. Auch für diesen Beitrag konnte kein Photo gefunden werden, das diese Mannschaft und ihren Sieg zeigt.

 

Von Stephan von Petersdorff und Peter Riethmüller

 

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v.l.n.r.: Werner Hütz, Ferdinand Albers, Volker Sauer, Ulrich Zingel
v.l.n.r.: Renate Wenderoth, Waltraud Runde, Gisela Kahmann, Sigrid Wenderoth; Stfr. Claudia Bergmann