The Boat Race 2022 - Elena und Tassilo von Müller schreiben Vereinsgeschichte

| Rennrudern

Beim Klassiker Oxford vs. Cambridge 2022 gewinnen beide Geschwister jeweils die "reserve races".

Von Stephan von Petersdorff

The Boat Race - Themse-aufwärts vom Londoner Stadtteil Putney hinaus nach Mortlake. 6,8 km bei einlaufender Flut. Jedes Jahr im April treten die Achter der Universitäten Oxford und Cambridge gegeneinander an. Wenn nicht gerade Weltkrieg ist. Oder Corona. Bei den Männern seit dem ersten Aufeinandertreffen im Jahre 1829 nun schon zum 167. Mal. 85:81 steht es für die Light Blues aus Cambridge ("totes Rennen" 1877). Bei den Frauen, deren Crews dieses Rennen seit 1927 gegeneinander ausfahren, ist der Abstand zu den Dark Blues aus Oxford mit 46:30 deutlicher. 250.000 Londoner kommen dann zum Fluss und bilden eine weltweit unübertroffene ohrenbetäubende Kulisse. Die TV-Liveübertragung versammelt weitere 15 Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen.

Es sind nicht etwa nur irgendwie ruderbegeisterte Studenten dieser beiden ältesten britischen und auf wissenschaftlicher Ebene hochklassigen Universitäten, die da ihre Kräfte messen. Diese Konkurrenz von "Oxbridge" gehört zu den prestigeträchtigsten Wettkämpfen der Ruderwelt. Da sitzt dann auch Weltklasse in den Booten. 2022 mit dabei: Elena und Tassilo von Müller. Beide hervorgegangen aus der Jugendarbeit des Ruderklubs am Baldeneysee. Tassilo für Oxford. Elena für Cambridge. Und das nach 2021 bereits zum zweiten Mal. Ins erste Team hatten es die Geschwister zwar nicht geschafft. Dies aber nur äußerst knapp. Wie knapp, das zeigte sich an den Positionen, die man ihnen in den sog. "reserve crews" anvertraute: der Steuerbord rudernde Tassilo auf Co-Schlag und Elena auf Backbordschlag. Es ist eine Fairness und Wertschätzung geschuldete Tradition, dass man auch die "reserve crews" über dieselbe Strecke antreten und sie zeigen lässt, auf welch hohes Leistungsniveau sie die internen Ausscheidungen und all das Training – zwei Einheiten täglich - gebracht haben. Bruder und Schwester als Schlagleute und jeweils für die andere Universität am Start. Ob es das jemals gegeben hat? Jedenfalls hat sich mit den beiden Essener Ruderern auch der RaB einen Platz in der facettenreichen Geschichte dieses britischen Ruder-Highlights gesichert.

2017 hatte Elenea als Deutsche Meisterin U17 im 4x über die Sprintstrecke auf dem Treppchen gestanden. In der U19 gelang ihr 2018 bei der DM Bronze im 8+ und dann beim Baltic-Cup im Einteiler der deutschen Mannschaft Gold im 4-. Seit 2019 studiert Elena in Cambridge Maschinenbau. Gleich 2020 gelang ihr die Qualifikation für den zweiten Achter. Zwei Wochen vor dem Start wurde das Rennen wegen Corona abgesagt. Eine Riesenenttäuschung. 2021 versuchte es Elena erneut und gewann - auf der Nr. 2 rudernd - das Rennen der "reserve crews“. Allerdings mussten wegen der andauernden Corona-Pandemie auch hier Konzessionen gemacht werden. So fand das Rennen über lediglich 5 km auf dem River Great Ouse statt, der trotz seines Namens ein Flüsschen ist. Anders als in London war hier nicht mit einem infektiösen Massenansturm von Zuschauern zu rechnen. Und Elena machte auch mit Blick auf das Boat Race 2022 weiter. Nun stieß direkt nach den Olympischen Spielen mit den Neuseeländerinnen Grace Prendergast (Gold im 2- und Silber im 8+) und Ruby Tew (Platz 8 im 4x) sowie der Britin Imogen Grant (4. Platz im Lgw. 2x) die absolute Crème de la Crème des Frauenruderns zu Elenas Trainingsgruppe. Wieder reichte es nicht ganz für das erste Boot. Aber mit dem erneuten Sieg (https://drive.google.com/file/d/116pDoiNcKqdbL6uBZtOaJUMhzWjvDkRO/view?usp=sharing) ließ es sich dann doch sehr ausgelassen feiern und die Cambridge Boys trösten, deren Erfolg gewöhnten Mannschaften von Elenas Bruder und den anderen Oxfordern besiegt worden waren. 

Tassilo zählte schon als Junior U17 und U19 zu den talentiertesten Junioren seiner Altersklasse. Die Liste der Deutschen Meisterschaften und internationalen Erfolge von 2015 bis 2017 ist lang. 2018 nahm er an der Princeton University in New Jersey/USA das Studium Maschinenbau auf. Als Schlagmann des ersten Achters (Varsity) gewann er gleich die Meisterschaft der Ostküsten-Universitäten und trat mit seinem Princetoner Studien- und Ruderkamerad Floyd Benedikter im 2- auch bei den DM U23 in Köln an. 2021 sah man die beiden als Deutsche Meister U23 im Achter wieder, mit dem sie dann bei der WM in Radcice/Tschechien die Bronze-Medaille an den Baldeneysee holten. Nach dem Abschluss in Princeton 2021 entschied Tassilo sich dann für ein Master-Studium an der University of Oxford. Dort bekommt er es gleich mit fünf Olympia-Finalisten von Tokio und zwei Dutzend weiterer Ruderer von mindestens seinem Niveau zu tun. Darunter Charles Elwes aus dem britischen Achter, dem der Deutschlandachter mit Jakob Schneider erst mit den letzten Schlägen die Silbermedaille abgerungen hatte. Mit dabei ist der weitere Brite Angus Groom, Silbermedaillist im 4x. Ergotests - von 30 Aspiranten bleiben die besten 24 Ruderer übrig. 2x Training pro Tag plus Studium, diverse Rennen gegen andere Unis - da waren's nur noch 16. Dann die sog. Trials, eine Art Generalprobe auf der Themse, bei der die Trainer zwei etwa gleich stark besetzte Mannschaften antreten lassen. Tassilos Boot läuft erst, als man ihn kurzfristig auf Schlag setzt. Aber man ist das langsamere Boot der Oxforder. (https://www.youtube.com/watch?v=3xsqcjFXUIU). Beim Rennen der „reserve crews“ am 4. April 2022 setzen sich Tassilo&Co dann schon auf den ersten 1000m mit einer Länge von dem Boot aus Cambridge ab. Dort rudert mit dem Essener Lasse Grimmer ein ehemaliger Meisterruderer aus dem ETuF. Am Ende sind es 3,5 Längen. Im Herbst wird Tassilo erneut versuchen, seine Zeit als Leistungsruderer mit einer weiteren Teilnahme und vielleicht sogar im ersten Oxforder Boot mit einem Sieg beim Boat Race 2023 zu krönen.

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