Das längst legendäre Rennen wurde erstmals im Jahre 1829 ausgetragen und findet nun schon zum 170. Mal statt. Die Strecke führt über 6.8 km auf der Themse von Putney nach Mortlake bei London. Für Cambridge schlagen 87 Siege zu Buche, für Oxford 81 („totes Rennen“ 1877). Auch unter anderen Aspekten liegt Cambridge in der Statistik vorn (längste Siegserie, Streckenrekord, größter Abstand im Ziel usw.). Nur den Sieg mit dem knappsten Vorsprung kann Oxford für sich beanspruchen, was auch nicht gerade gegen Cambridge spricht. Aber was sind schon Statistiken?! Jedenfalls kein Grund, nicht gespannt zu sein, ob es den Oxfordern in diesem Jahr gelingt, Cambridge nach deren Siegen in 2023 und 2024 das Triple zu vermasseln.
Als 12jähriger hatte Tassilo unter Trainer Tobi(as) Kramm im Ruderklub am Baldeneysee mit dem Rudern begonnen. Im Bereich U17/U19 erringt er als eines der größten Talente seines Jahrgangs Sieg um Sieg für unseren Verein, darunter deutsche Meisterschaften und Medaillen im Trikot der Nationalmannschaft. 2018 nimmt er ein Studium an der Princeton University in New Jersey/USA auf (Maschinenbau). Mit ihm auf Schlag bleibt auch dort der Erfolg im Achter nicht aus. In den Semesterferien mischt Tassilo nun bei den Deutschen Meisterschaften im Bereich U23 mit, gewinnt 2021 den Titel im Achter und bei der WM in Radcice/Tschechien die Bronze-Medaille.
Im selben Jahr wechselt Tassilo zum Master-Studium nach Oxford. Nun ist das Boat Race sein nächstes sportliches Ziel. Ein Rennen auf Weltklasseniveau. Einem Platz im ersten Achter geht ein harter Auswahlprozess voraus. Eine Art Generalprobe sind die sogenannten Trials, bei der die Trainer die besten 16 Ruderer in zwei etwa gleich stark besetzten Mannschaften gegeneinander antreten lassen. 2022 reicht es für Tassilo noch nicht ganz. Im Rennen der „reserve crews“ fahren die Oxforder mit ihm auf Co-Schlag dann aber dem Boot aus Cambridge souverän davon (vgl. Bericht).
2023 sitzt Tassilo wieder auf Co-Schlag. Diesmal aber im ersten Oxford-Achter (vgl. Vorbericht). Das Rennen, das mit einem unwiderstehlichen Endspurt gewonnen werden sollte, geht mit gut einer Länge dramatisch verloren. 500m vor dem Ziel kollabiert der Schlagmann. Über die Strecke an Cambridge dranzubleiben, hatte einfach zu viel Kraft gekostet. Tapfer und noch in Sorge um seinen Freund und „roommate“ Felix Drinkall tritt Tassilo vor die Kameras und Mikrophone und kommentiert einem Weltpublikum die Enttäuschung der Mannschaft. Die Oxforder hatten ihn zum Captain gewählt. Eine Ehre, von deren überaus hohen Stellenwert man sich in Deutschland keine Vorstellung macht.
Danach hängt Tassilo den Riemen erst einmal in die Stellage. Er widmet sich den Forschungen zu seiner Doktorarbeit (Optimierung von Turbinenschaufeln in Düsentriebwerken) und powert auf dem Rennrad durch die wellige Landschaft von Oxfordshire. Irgendwann vermisst er den Teamgeist im Boot und kämpft sich ab September 2024 erneut bis in den ersten Achter. 2025 sind die Oxforder wieder stark besetzt. Beim Heineken-Cup in Amsterdam vor knapp 2 Wochen war man dicht am Nationalachter der Niederlande dran (Silbermedaille bei Olympia 2024 in Paris). Tassilo sitzt diesmal auf Position 5, vor ihm auf der Sechs Tom Mackintosh, Olympiasieger im Achter von Neuseeland, der in Tokio 2021 den Deutschlandachter mit RaB-Ruderer Jakob Schneider, 3x Weltmeister in Folge, überraschend auf den Silberrang verwiesen hatte. Auf den Position 7 und auf dem Schlagplatz sieht man zwei Olympia-Ruderer von Paris 2024 wieder – Nick Rusher (Bronze im Achter der USA) und Nicholas Kohl (4. Platz im 4- von Italien). Am grünen Tisch hat die Konkurrenz bereits begonnen. Nach einem Protest von Oxford musste ein Ruderer im Boot von Cambridge ausgewechselt werden. Sein akademischer Status entsprach nicht dem Regelwerk dieses Traditionsrennens.
Der Ruderklub am Baldeneysee veranstaltet am 13. April von 14:00 bis 16:00 Uhr im großen Saal ein Public Viewing. Um 14:21 deutscher Zeit startet das Frauenrennen, um 15:21 Uhr das Boat Race der Männer. Kommt zahlreich, alle sind eingeladen. Fiebert mit Tassilo mit und – das wollen wir hoffen – feiert am Ende einen Sieg für Oxford.
Übrigens: In Zukunft werden wir unseren derzeit besten Ruderer womöglich auch mal wieder im Bootshaus sehen. Nach dem Abschluss der Promotion wird Tassilo nun die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles ins Visier nehmen und sich ab August dem deutschen Nationalkader im Dortmunder Leistungszentrum anschließen. Mit Antonia Galland und ihm ist der Ruderklub am Baldeneysee nun gleich doppelt auf dem Weg nach Olympia. Wann hat es das zum letzten Mal gegeben?!
Bericht: Stephan von Petersdorff
Fotos: University of Oxford